Wir trauern um Hans-Jürgen Tillig
Hans-Jürgen Tillig, eine bedeutende Persönlichkeit der Modellbahnindustrie, ist am 04.03.2022 kurz vor Vollendung seines 67. Lebensjahres unerwartet verstorben.
Seinem Engagement ist das Weiterbestehen der Nenngröße TT bis in die heutige Zeit zu verdanken. Daher soll hier sein Wirken kurz gewürdigt werden.
Als Betriebsteilleiter im VEB Kunststoffverarbeitungsindustrie Sebnitz für den Modellgleis und Weichenantriebe herstellenden Bereich Pilz Modellgleis, hatte er bereits in der DDR mit der Produktion von Modellbahnerzeugnissen zu tun. Die Handwerksfirma Pilz in Sebnitz, die sich seit den fünfziger Jahren mit der Herstellung von Modellgleismaterial beschäftigt, wurde 1972 bei der Verstaatlichung in die neugegründete VEB Kunststoffverarbeitungsindustrie Sebnitz übernommen. Das Produktionsprofil blieb aber erhalten. Nach der politischen Wende wurde der ehemalige Betrieb Pilz wieder reprivatisiert. Da der Erbe des ursprünglichen Eigentümers aber nicht geschäftsfähig war, konnte Hans im Einvernehmen des Vormundes die Firma weiterführen und übernehmen.
Hans besaß unternehmerisches Geschick und sah der kommenden Zeit optimistisch entgegen. Er konnte eine Reihe von innovativen Mitarbeitern um sich scharen, um neue Inhalte für die Firma Pilz zu finden.
So wurde trotz sinkender Nachfrage im Modellbahnbereich nach 1990 sofort die Entwicklung und Realisierung eines TT Modellgleises begonnen. Das neue Gleis wurde der ebenfalls reprivatisierten Berliner Firma Zeuke-TT-Bahn angeboten, und dort auch vermarktet. Das traditionelle H0 Gleis wurde durch die Entwicklung eines innovativen H0 Elitegleises modernisiert und erweitert. Durch ein eigenes Modellbahngeschäft wurde der direkte Verkauf gefördert.
Mit einem westdeutschen Modellbahnfreund wurde die Firma MaTTra gegründet. Bereits 1992 erschien in Sebnitz mit der BR 218 das erste Triebfahrzeug in der Nenngröße TT. Gleichzeitig wurde mit der Entwicklung der V 200 der DR auch das erste eigene Lokmodell im Maßstab 1:120 begonnen. Der Doppelstockeinzelwagen der Do 2000 Serie der DB war das erste eigene Wagenmodell. Der entscheidende Impuls für das Fortbestehen der Nenngröße TT und dem Bestand der Firma in Sebnitz kam mit der Insolvenz der Berliner TT Bahn Zeuke GmbH. Aus einer Eigentumssicherung der gelieferten Gleise beim Insolventsverwalter wurde der Zuschlag für die Übernahme der gesamten Konkursmasse.
Das nunmehr als TILLIG firmierende Unternehmen mit Hans-Jürgen Tillig als geschäftsführenden Gesellschafter konsolidierte das TT Programm der Berliner Firma und brachte seine eigenen Entwicklungen darin ein. Ein Meilenstein war die Entwicklung und Produktionsbeginn der BR 52 in Sebnitz. Die Berliner Produktion wurde schrittweise nach Sebnitz verlagert und ausgebaut. Eine erfolgreiche Kooperatione mit Roco brachten letztlich auch die Wiederbelebung des Röwa TT Modells des Containertragwagens und eigene Entwicklungen der Firma Roco in der Nenngröße TT. Diese Erfolge animierten auch andere etablierte Hersteller zu Modellen in der Nenngröße TT.
Hans pflegte eine große Kundennähe bei Messen und Ausstellungen. Die Gründung des Tillig-TT-Clubs und eines Produktbeirates sorgten dafür, dass die Interessen der Kunden wahrgenommen und nach Möglichkeit auch umgesetzt wurden. So wurden Hersteller und Kunden zu einer Familie. Folgerichtig wurde die Firma TILLIG auch ein aktiver Föderer der SMV. Mit der Übernahme der TT Modelle herstellenden Firma Jatt und später der H0 Modelle herstellenden Firma Sachsenmodelle wurde der Grundstein für den Angebotsmix in beiden Nenngrößen gelegt.
Neben seiner Arbeit für die Firma TILLIG engagierte sich Hans besonders für den Sport. Selbst aktiver Fußballer, unterstütze er den BSV 68 Sebnitz als deren Vereinsvorsitzender. Außerdem hing sein Herz auch an Dynamo Dresden. Da war er von 2008 bis 2009 Aufsichtsratvorsitzender.
Die weitere erfolgreiche Entwicklung der Firma TILLIG erforderte aber auch erhebliche finanzielle Mittel, die dem jungen Unternehmen nicht in erforderlicher Höhe zur Verfügung standen. Da gelang es Hans mit Geschick einen zahlungskräftigen Investor als stillen Teilhaber für das Unternehmen zu gewinnen. Auch der eigene leistungsfähige Werkzeugbau wurde für die Finanzierung des ambitionierten Modellbahnprogramms herangezogen. So wurden Aufträge für die Autoindustrie und für andere renommierte Modellbahnhersteller realisiert.
Waren auch nicht alle geschäftlichen Aktivitäten von Hans-Jürgen Tillig von Erfolg gekrönt, so bleibt ihm unbestritten der Verdienst, die Modellbahn-Nenngröße TT am Leben erhalten zu haben, die für viele Modellbahner des Ostens Europas das Zentrum ihres Hobbys bedeutete. In diesem Sinn werden wir ihn immer in guter und ehrender Erinnerung behalten.
Winfried Seewald und der Vorstand der SMV